Fachwissen hydraulischer Abgleich

Der Überdimensionierungsfaktor

... ist einer der wichtigsten Parameter für die korrekte Berechnung der realen Massenströme. Warum? Lassen Sie mich den Begriff kurz erklären: Im Grunde ist es nur das Verhältnis der Heizleistung eines oder mehrerer Heizkörper (allgemein: Wärmeübertrager) bei einer angenommenen Vorlauf-/Rücklauftemperatur = Übertemperatur und der berechneten Heizlast des Raumes.   

Ein einfaches Beispiel:

  • Ein Flachheizkörper mit der Größe 1000x600x22 (Länge/Höhe/Typ) hat bei einer Vorlauf-/Rücklauf-/Raumtemperatur von 70/55/20°C eine Leistung von 1450 Watt
  • Die Heizlast des Raumes beträgt 1200 Watt.
  • Daraus ergibt sich ein Überdimensionierungsfaktor von 1,208 (1450:1200) - also rund 21%
  • Die primäre Aussage wäre: Der Heizkörper ist zu "groß" .... aber kleiner machen geht nun mal nicht so einfach ;-)

Welche "wichtigen" Schlussfolgerungen lassen sich daraus ableiten? Nun, es wäre doch durchaus sinnvoll, die Leistung des Heizkörpers durch eine Anpassung der Übertemperatur zu reduzieren. Aber jetzt bitte nicht auf die Aussage hereinfallen: Das macht der Thermostat/Fühler/selbsttätige Regler doch von selbst! Nun ja - macht er schon, in dem er die selbst erzeugte Fremdwärme (im Beispiel hier +21%) zwar mehr oder weniger kompensiert. Dies ist aber A. nicht seine Aufgabe ("Er" soll innere Lasten erfassen) und B. wird dadurch die Regelgüte deutlich verschlechtert.

Also: Was ist zu tun? Es gibt 2 Möglichkeiten die Leistung (bei gleicher Übertemperatur des Heizkörpers) zu reduzieren:

  1. Den Massenstrom reduzieren => Die Rücklauftemperatur sinkt - die Spreizung wir (viel) größer
  2. Die Vorlauftemperatur absenken => Der Massenstrom bleibt in etwa gleich - die Spreizung wird etwas kleiner

Was ist die bessere Lösung? Ganz klar die "2", in dem die Vorlauftemperatur abgesenkt wird. Dadurch vermeidet man zu kleine Volumenströme (= extrem kleine Voreinstellwerte, schlechte Regelgüte, erhöhte Verschmutzungsgefahr) und in Abhängigkeit vom Wärmeerzeuger wird der Systemwirkungsgrad verbessert. Hinzu kommt noch ein erhöhter Komfort, da der Heizkörper gleichmäßiger warm wird.

Aber: Viel wichtiger ist die Betrachtung ALLER Überdimensionierungsfaktoren in einer Anlage. Hier ein Beispiel aus meinen Schulungsfolien, ermittelt mit der Software DanBasic 6:

In der Spalte "Faktor für die Überdimensionierung" sehen Sie das Ergebnis der Überdimensionierung bei einer geplanten Vorlauf-/Rücklauftemperatur von 70/55°C für jeden Heizkörper. Erst mit dieser Tabelle haben Sie einen Überblick welcher Heizkörper der "Kritische" ist (kleinster Faktor, Raum 203 - Küche).

Jetzt können wir den wichtigen Optimierungsschritt einleiten, nämlich durch Absenken der Vorlauftemperatur die Reduzierung des Faktors auf den (theoretischen) Wert 1! Da in der Regel alle Heizkörper unterschiedliche Überdimensionierungsfaktoren haben, wird es nur einen Heizkörper geben, der den Wert 1 (nahezu) erreichen wird. In diesem Fall ist das der Heizkörper in der Küche.

Fazit: Nur auf der Basis des bekannten Überdimensionierungsfaktors ist in Bestandsanlagen eine sinnvolle Anpassung der Heizleistung an die (raumweise) Heizlast durch eine Absenkung der Vorlauftemperatur (neue Heizkurve) möglich. Dadurch ergeben sich andere Massenströme, Differenzdrücke, reale Rücklauftemperaturen und schlussendlich andere Voreinstellwerte an allen Armaturen! Entscheidend ist aber auch die Anpassung an die Anforderungen des Wärmeerzeugers für einen optimalen Betrieb und der dadurch verbesserte Systemnutzungsgrad.

Dieser Prozess der Systemoptimierung sollte unbedingt in einem erweiterten Verfahren (B+) zur Bestätigung des hydraulischen Abgleichs mit aufgenommen werden.